Zeitungskunst zur Zeit des Impressionismus 1863-1908
Zeitungskunst und Politik
Die Zeitungskunst in Frankreich spielt im Zeitalter des Impressionismus eine bedeutende Rolle bei allen politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen
der Epoche. Es war die Zeit der schmerzhaften Wandlung der Nation von einer Monarchie zur Republik, vom autoritären Obrigkeitsstaat zu einer
sozialverantwortlichen Demokratie, vom Agrarstaat zur industriellen Großmacht. Sie sah auch Entwicklungen in der bildenden Kunst, die einer Umwälzung des
Herkömmlichen gleichkamen, Skandale um die ersten impressionistischen Bilder, um die Pointillisten, Fauvisten und Kubisten.
Zeitungskunst und Geschichte Wir verfolgen in den Karikaturen und Illustrationen die
Entwicklung in Frankreich durch die Augen kritischer Geister, die mal satirisch, mal humoristisch, mal realistisch die Brüche und Missstände anprangern, aber
auch durch ihren Mut und ihre Wahrhaftigkeit selber zum Erringen einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft beitragen. Nach den Revolutionstagen von 1848 und der
kurzlebigen Zweiten Republik folgt der Aufstieg eines neuen Napoleons. Frankreich steuert auf Krieg gegen Deutschland zu, dieser endet aber mit dem Desaster von 1870.
Es folgt ein Ringen um die Macht nach dem Sturz des Kaisers, ein Bürgerkrieg um die
Pariser Kommune und die Einrichtung einer anfälligen und umstrittenen Dritten Republik. Diese etabliert sich langsam, versteht sich aber zunehmend als
Kolonialmacht und wird mit einer allmählich sich emanzipierenden Arbeiterklasse konfrontiert. Politische Skandale, die Dreyfus-Affäre, die Säkularisierung des
öffentlichen Lebens, die Bildung von Gewerkschaften und Linksparteien, Veränderungen ausgelöst durch neue Techniken und neue Formen der
Freizeitgestaltung – alle werden in den Pressezeichnungen für die französische Öffentlichkeit dargelegt und interpretiert.
Zeitungskunst und Impressionismus
Durch die Zeitungskunst bekommen wir auch tiefere Einblicke in die Geschichte der Kunst. Die Zeitungsgrafik weist nicht nur Parallelen in der Malerei des Impressionismus auf,
sondern sie ist mit dieser eng verflochten und schöpft aus denselben Kreisen der Künstler und Intellektuellen. Manche Zeitungskünstler fanden in der Gebrauchsgrafik für die Tages- und
Wochenpresse ihr Metier, entwickelten ihren Stil und ihre Figuren ein Leben lang weiter und hinterließen einen enormen Fundus an wertvollen Zeichnungen. Manche
Künstler von Weltrang, etwa Claude Monet, Pablo Picasso oder Henri de Toulouse-Lautrec, haben dagegen nur zeitweise für Zeitungen und Zeitschriften
gearbeitet, hinterlassen aber einzelne Zeugnisse ihrer Genialität in Form von Druckgrafiken für die Presse.
Geheimtipp für Kunstinteressierte
Die Bilder sind dramatisch, traurig, manchmal pathetisch, manchmal lustig. Sie kommentieren das Tagesgeschehen, legen oft den Finger in die Wunde einer allzu
zerbrechlichen staatlichen Ordnung, dokumentieren die Katastrophen und die großen Momente, die den französischen Staat in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts geformt und geprägt haben. Diese einem deutschen Publikum näher zu bringen, gelingt in der Ausstellung und im begleitenden Katalog vortrefflich. Ein
Geheimtipp für alle Frankophiler, Geschichtsinteressierte und Liebhaber der modernen Kunst.
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